“Was gute Serien erst wirklich gut macht…”
So ziemlich jeder, der diesen Blog besucht, wird zumindest manchmal Serien verfolgen oder daran interessiert sein, endlich mal wieder eine Gute verfolgen zu wollen. Jedes Jahr laufen, nicht nur in den USA, diverse Serien an und mit der Zeit trennt sich unbarmherzig die Spreu vom Weizen – wobei das leider auch nicht immer stimmt und so manch hochqualitative Serien wie Firefly frühzeitlich abgesägt werden. Doch darum soll es hier nicht gehen.
Mir geht es zumindest dieses mal um Charaktere. Natürlich ist meine Meinung nur subjektiv, aber ich behaupte: ohne echte Charaktere funktionieren Serien nicht. Das möchte ich zu Beginn am bereits beendeten LOST darlegen. Wer LOST verfolgt hat, sollte vielleicht einfach noch einmal den Piloten schauen und dabei auf die Einführung der Charaktere wert legen.
Es passiert während des Pilotfilms gleich mehrfach: Der Zuschauer wird an die Hand genommen und dem jeweiligen Charakter vorgestellt. Zu Beginn herrscht das totale Chaos. Leute sind verletzt und rufen um Hilfe. Was passiert in all dem Durcheinander? Hurley ruft Jack und fragt ihn nach seinem Namen, damit der Zuschauer direkt weiss, mit wem er es zu tun hat. Im weiteren Verlauf wiederholt sich diese Herangehensweise. Niemand sagt während der Dämmerung “Hey, wir brauchen Feuerholz”. Nein, Sayid spricht Charlie an und fragt ihn nach seinem Namen. Wenig später, die Nacht ist hereingebrochen und Jack sitzt mit Kate am Lagerfeuer um die die Situation zu besprechen. Was sagt Jack? “Hey, ich kenne deinen Namen garnicht.” Der Fokus liegt klar auf den Namen, damit man diese nicht vergisst.
Die Einführung ist vorbildlich wie simpel und gerade darum so effektiv. Gerade bei LOST, der Serie mit dem wohl grössten Cast überhaupt, eine Meisterleistung. Und gerade daran scheistern bis heute viele andere Serien schon am Anfang. Man muss die Personen kennenlernen. Ich persönlich würde nicht behaupten, dass ich sonderlich schlecht darin wäre, mir Namen zu merken. Wenn ich an Flash Forward zurückdenke – wenn ich mich anstrenge, komm ich noch auf 3 Namen. Olivia, Simon und Dimitri. Die Nachnamen kenne ich nicht mehr. Und das liegt nicht daran, dass die Serie ja nun schon vor einigen Monaten abgelaufen ist.
Das soll keine künstliche Kritik sein, aber wenn ich an The Event denke, tritt dort das selbe Phänomen auf und die letzte Folge liegt erst wenige Tage zurück. Der Hauptcharakter heisst Shawn. Oder Shaun? Ich weiss es nicht genau. Der eine Herr vom FBI heisst Lee, was ich mir nur merken kann, weil er asiatisch ist und *Achtung Klischeedenken* doch jeder 2. Asiate mit Nachnamen Lee heisst. Und der Präsident endet mit …ez, glaub ich zumindest. Ist das nicht furchtbar für eine Serie, wenn man nichtmal weiss, wie die Personen heissen, mit denen man mitfiebern soll? Liegt das an mir, dass ich mir die Namen nicht merken kann oder ist das, wie ich denke, wirklich ein Armutszeugnis für die Autoren, die einfach kein Talent dafür haben, Charaktere zu schreiben, die mich dauerhaft an die Serie binden? Filme haben dieses Problem laufzeitbedingt ja weniger.
Die Einführung der Charaktere ist sicherlich nicht das wichtigste, sondern auch ihr Profil. Wo sind in den neuen Serie solche Charaktere wie Benjamin Linus und John Locke? Natürlich liegt ihr Kultstatus auch in der Darbietung der Rollen, aber auch diese müssen erst einmal geschrieben werden. Selbst eine Kate Austen, so sehr man sie auch gehasst hat, hatte mehr Tiefe und bei ihr wusste man wenigstens, warum man sie hasst.
Ich denke an The Shield und habe sofort Vic Mackey und Shane Vendrell aus dem Strike Team im Kopf. Oder Holland “Dutch” Wagenbach und Claudette Wyms. Warum vergesse ich diese Figuren nicht, obwohl es Jahre her ist, dass ich das letzte mal eine Episode gesehen habe? Weil es grossartig geschriebene Charaktere sind.
Warum geniesst Akte X bis heute solch einen Kultstatus? Weil die wöchentlichen Fälle immer so umwerfend gut waren? Nein, sondern einfach weil Fox Mulder und Dana Scully absolute Unikate sind, über die man auch in den nächsten 10 Jahren noch in den Köpfen haben wird. Das sind Figuren, die man auf ihren Abenteuern immer gerne begleitet hat.
Die Quasi-Fortsetzung selbiger Serie, auch bekannt als Fringe, wäre daran fast gescheitert. Zu kalt waren Olivia Dunham, Peter und Walter Bishop zu Beginn. Nicht greifbar genug. Doch hier haben sich die Autoren glücklicherweise gefangen und besonders Schusselkopf Walter möchte ich in der heutigen Fernsehlandschaft nicht mehr missen. Für mich ist er bereits eine weitere moderne Kultfigur.
Wenn ich dabei wieder auf die neu angelaufenen Serien denke, seh ich schwarz. Während bei LOST in jeder Folge ein Charakter sorgsam entwickelt wurde, weiss ich bei The Event immer noch nichts über die Figuren. Shawn hat seine Freundin im Schwimmbad kennengelernt und er hat keinen guten Draht zu seinen Eltern. Das weiss ich nach 4 Folgen. Applaus. Ganz toll. Grosses Kino. Und er gibt mir keinen Anreiz, mich weiter für ihn zu interessieren.
Ein Schwenk zur Abrams-Serie Undercovers. Ebenfalls 4 Folgen vorbei und hier sieht es noch weitaus fader aus als. Was hat man erfahren? Ein hübsches Ehepaar führt ein Restaurant und arbeitet nun wieder geheim im Dienst der Nation. Ich weiss nicht, wie sie heissen. Ich weiss nicht, was sie mögen. Ich weiss nicht, was sie geprägt hat. Ich weiss nur, dass sie am Ende jeder Folge in der Kiste landen. Auch hier tosender Beifall meinerseits. Ich kenne sie nicht und sie sind mir egal. Sie haben keine Motivation und ich habe auch keine mehr, weiter zu schauen.
Zum Abschluss muss ich über Hawaii 5-0 reden. Ebenfalls brandneu, liefen auch hier erst 4 Episoden, ist man hier The Event und Undercovers bereits meilenweit voraus. Hier weiss ich über die beiden Hauptcops schon weitaus mehr als in den anderen beiden Serien zusammen. Der eine vermisst seinen Vater wirklich, hat Probleme mit seiner Schwester und ist einfach schlagfertig. Der andere hasst seine Exfrau und liebt seine Tochter über alles. Stichwort Klingelton und Monolog an der Gegensprechanlage. Sie necken sich, sind frech und freundlich zueinander. Sie sind greifbar. Da bleib ich gerne dran. Warum ich hier nur “der eine” und “der andere” sage? Nun, vielleicht habe ich doch eine Namensschwäche.
Wie seht ihr das? Haut mal in die Tasten.
Stefan
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